Nein sagen fällt speziell Frauen oft schwer. In diesem Artikel erfährst du Aspekte, von denen du vielleicht bisher noch nie gehört hast: Den Zusammenhang mit dem weiblichen Prinzip und über Hintergründen, die in der Geschichte des weiblichen Kollektivs liegen

Diese Hintergrundinformationen werden dich vor allem dann erleichtern, wenn du dich immer wieder über dich ärgerst, weil du mit einem „Ja ok, mache ich“, wieder einmal über deine Grenzen gegangen bist. Und, ich kann dir versprechen, dass du damit definitiv nicht alleine bist!

Es lohnt sich, den Artikel zu Ende zu lesen, denn am Schluss erwarten dich noch drei konkrete Tipps, wie du deinen Nein-Sagen-Muskel trainieren kannst.

Lass uns mit dieser Anekdote aus meinem persönlichen Nähkästchen beginnen:

 „Ich eröffne eine WhatsApp-Gruppe zum Thema Gesundheit, willst du dabei sein?“

Diese Nachricht bekam ich von einer (sehr, sehr) flüchtigen Bekannten.

Ich: „Danke. Worum geht’s denn genau?“

Sie:  „Gesundheits-Prävention.“

Ganze zwei Worte als Antwort? Hm.

Soll ich einfach nur NEIN zurückschreiben, fragte ich mich. Tat ich nicht.

Es wurde ein Nein danke”.

Obwohl die Grenze zur Unhöflichkeit für mein Empfinden bereits überschritten war, zögerte ich so schroff abzulehnen.

Ist das nicht erstaunlich? Obwohl mir ihr Kommunikationsstil gegen den Strich ging, zog ich in einen flüchtigen Moment lang in Erwägung, ihrer Gruppe beizutreten.

Ein Anteil in mir, die innere Beobachterin, war fast schon amüsiert, was in mir vorging: Es gab einen andern Anteil in mir, der zögerte Nein zu sagen! Ich spielte tatsächlich kurz mit dem Gedanken, der Gruppe beizutreten.

Ganz nebenbei: Die Senderin der Nachricht hatte ich ein einziges Mal gesehen.

😉Nein zu sagen, gibt Ressourcen frei.

Nämlich jene, um an anderer Stelle Ja zu sagen!

Angenommen, ich wäre der Gruppe beigetreten, hätte das Zeit, Aufmerksamkeit, also einen Teil meiner Energie benötigt. Aber: Ist nicht unsere Lebensenergie, unser wertvollstes Gut?

Unsere Energie unreflektiert zu verschenken, könnten im schlimmsten Fall in Burnout und Krankheit münden. Für unser Wohlbefinden ist es essenziell zu differenzieren, wohin wir sie verschenken.

Nimm dir Zeit, um zu unterscheiden: Was wirklich gut für dich ist, und was nicht.

Es gehört definitiv zu meinen wertvollsten learings, mit meiner Energie achtsam umzugehen! Je älter ich werde, desto genauer prüfe ich, in wen oder was ich meine Energie investiere! 

Dazu gehört es auch, an der richtigen Stelle nein zu sagen. Denn nur wenn wir zum Unwesentlichen nein sagen, steht uns Energie für das Wesentliche zur Verfügung

Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage: “Wie unterscheide ich das Wesentliche vom Unwesentlichen?

Gleich vorneweg sei gesagt: Unter Stress und Druck klappt das weniger gut, denn wenn unser System Energie zum Kämpfen und Flüchten bereitstellt, fehlt es an Ressourcen zum Denken.

Stehst du also vor Entscheidungen, nimm den Druck raus.

Lass dich nicht drängen. Weder zum Ja, noch zum Nein sagen.

Nimm dir Zeit für die Antwort.

Bis du Klarheit bekommst, kann es kürzer oder länger dauern. Das ist ok. Manchmal reichen dafür schon 2-3  tiefe Atemzüge.

Manchmal braucht es einen kleinen Ortswechsel, da kann sogar ein kurzer Rückzug auf die Toilette helfen 😉. Das körperliche Loslassen hilft zusätzlich. 

Auch die eine oder andere Nacht darüber zu schlafen, kann Wunder wirken.

Fix ist: Lass dich nicht drängen.

Gib dir Zeit, um zu erkennen, was wichtig oder unwichtig ist.

Und wenn du das Gefühl hast, du stehst auf der sprichwörtlichen Leitung, nimm dir noch mehr Zeit, das ist  wie von der Leitung steigen ;).

Rufe dir immer wieder ins Bewusstsein:
Ein Nein an der richtigen Stelle, gibt dir den Raum, die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu erkennen.  

Was es dir bringt? Du hast Energie für das Wichtige im Leben!

Hintergründe, warum es besonders Frauen schwerfällt, Nein zu sagen:

Es gibt unzählige individuelle Gründe, warum das Nein sagen Frauen häufig schwerfällt. Die Wurzeln finden wir aber nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch im weiblichen Kollektiv.

Über Jahrtausende wurden Frauen genötigt, ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten zu unterdrücken. Um in männerdominierten Gesellschaften zu überleben, mussten sie sich der Macht des Stärkeren beugen: Nein zu sagen, konnte das Leben kosten. 

Das Resultat sind tief verankerte Muster, die uns zusätzlich zur persönlichen Geschichte geprägt haben.

Ein braves Mädchen darf nicht nein sagen.

Das brave und angepasst Mädchen also lange Tradition. Seit dem sich patriarchale Gesellschaftsformen etabliert haben, wird diese Anpassung von einer Generation auf die nächste weitergegeben.

Nicht nein sagen können und das weibliche Prinzip:

Verbundenheit entspricht ganz grundsätzlich dem weiblichen Prinzip. Ohne Verbundenheit zur Mutter würden die wenigsten Lebewesen überleben. Nicht nur für uns Menschen ist es die Überlebensgarantie für den Nachwuchs. Das ist auch ein Grund, warum sich Frauen mit dem Nein sagen grundsätzlichen schwerer tun – es hat etwas Trennendes und drückt Abgrenzung aus.

Aber nicht nur das:

Gesunde Abgrenzung ist unbestritten wertvoll. Aber gerade diese gesunde Abgrenzung ist oft eine Herausforderung. Nämlich dann, wenn das Bedürfnis nach Verbundenheit in der Kindheit nicht angemessen gestillt wurde.

Mit einem Mangel an sicheren Bindungserfahrungen in der Kindheit, ist es als Erwachsener schwer, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu wahren. Daran mangelt es öfter, als angenommen.

Die gute Nachricht ist: Wir können auch als Erwachsene, in Coaching, Aufstellungsarbeit, Seminaren und verschiedenen Therapieformen, mangelhaft erlebte Bindungserfahrungen nach nähren.

Warum ist es wichtig, all das zu wissen?

Weil ich aus Erfahrung weiß, dass viele Frauen, wenn sie sich schlecht fühlen, weil sie ihren eigenen Ansprüchen nicht genügen, sich dafür noch zusätzlich selbst schlecht machen. Es soll dir helfen, dich nicht mehr unzulänglich zu fühlen, wenn du dir mit dem Nein sagen schwertust!

Kennst du diese Abwärts-Spirale und willst aussteigen? Dann ist es hilfreich, wenn du dich mit deinem inneren Kritiker beschäftigst. In diesem Artikel findest du wertvolle Impulse, wie  du deinen inneren Kritiker zum Verbündeten machst.

Ist nicht Nein sagen „können“ ein Symptom?

Betrachten wir es einmal so: Es ist wie die berühmte Spitze des Eisbergs. Der Teil, der sich unter der Oberfläche verbirgt, ist riesig und liegt im Unbewussten.

Frühe Kindheitserfahrungen bleiben uns nicht im Bewusstsein. Sie werden aber sehr wohl im impliziten Gedächtnis, im Körpergedächtnis, gespeichert.

Das bedeutet, dass wir uns zwar nicht bewusst erinnern können, die prägenden Erfahrungen aber tiefe Spuren hinterlassen.

Eine Folge solcher Prägungen kann sein, dass du dir mit dem Nein sagen schwertust. Um dieses Problem an der Wurzel zu packen, reicht es leider nicht, sich gebetsmühlenartig „Ich muss es nicht allen recht machen.“ vorzusagen.

Ich erwähne das an dieser Stelle, weil du es vielleicht schon probiert hast, sich aber nichts verändert hat. Drum bleib dran! Wir tauchen tiefer in das Thema ein und du wirst gleich besser verstehen, was dich (möglicherweise) bewegt.

Nein sagen und die Angst vor Kontaktabbruch.

Kontaktabbruch ist etwas Schmerzhaftes.

Eine (unbewusste) Sorge kann sein, dass wenn wir Nein sagen, dass das Gegenüber den Kontakt mit uns abbrechen wird. Autsch. 

Oder andersrum: Beim Gegenüber könnte das Gefühl entstehen, dass du den Kontakt abbrechen möchtest. Vielleicht ist das für dich sogar die größere Sorge?

Oft sind in unserem System alte Informationen gespeichert, die uns auch als Erwachsene glauben lassen, dass ein Kontaktabbruch existenziell bedrohlich ist.

Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass im impliziten Gedächtnis Erfahrungen aus der Kindheit (oder epigenetische – aus der Ahnenlinie) abgespeichert sind, die in uns das Gefühl entstehen lassen, dass der Kontaktverlust lebensbedrohlich ist.

Und für Babys und Kleinkinder ist Kontaktabbruch tatsächlich eine manifeste Lebensbedrohung. Auch, wenn das Wissen heute bereits weiter verbreitet ist, haben viele von uns als Baby die Erfahrung gemacht, sich auf einer Säuglingsstation die Seele aus dem Leib schreien zu müssen.

Noch im Jahr 2003 war das Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ populär. Darin wurde verbreitet, dass Babys lernen würden, alleine einzuschlafen, wenn man sie langsam daran gewöhnt, alleine zu sein – egal ob sie schreien oder nicht. Viele Mütter erhofften sich, dem Kind damit etwas Gutes zu tun und endlich ihrer eigenen Überforderung zu entkommen. 

Aus Angst vor Konflikten nicht Nein sagen?

Kaum jemand mag Konflikte. Sehen wir in die Welt, zeigt sich deutlich: Konflikte verschwinden nicht einfach, weil wir sie nicht mögen. Im Gegenteil: sie entladen sich früher oder später unkontrolliert, mit geballter Kraft.

Gehen wir Auseinandersetzungen im Außen aus dem Weg, kreieren wir Konflikte im Innen. Dieser Aspekt wird oft übersehen, obwohl die Gesundheit und Lebensqualität – sowohl psychisch als auch körperlich – darunter leidet. Die Folgen von ungelösten inneren Konflikten zeigen sich auf vielfältige Weise:

  • Sie können sich in Form von Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Magenproblemen manifestieren.
  • Sich selbst zu verleugnen, führt langfristig zum Gefühl innerer Leere und zu genereller Unzufriedenheit – die Lebensfreude geht nach und nach gänzlich flöten.
  • Darunter leidet die Qualität aller Beziehungen – egal ob die zu PartnerInnen, Kindern, KollegInnen, Chefs und FreundInnen. 

Konflikte unter den Teppich zu kehren, erzeugt genau das Gegenteil von Harmonie:

Verdrängte Konflikte finden immer einen Weg, sich zu zeigen. So richten sie weit mehr Schaden an, als wenn man ihnen konstruktiv begegnet.

Das Nein sagen vermeiden, um andere nicht zu enttäuschen?

Eine unbewusste Motivation, Ja zu sagen, kann sein, andere nicht enttäuschen zu wollen.

Das klingt ja auf ersten Blick nach einer schönen Motivation. Wer will schon enttäuscht werden? Doch lass uns diesen Gedanken noch weiter spinnen. Mit diesem Gedankenspiel möchte ich dir zum Abschluss noch einen Floh ins Ohr setzen 😉.

Wäre es nicht sogar ein Vorteil, wenn die Täuschung zu Ende ist?

Die End-Täuschung hat den Vorteil, dass wir der Realität näher kommen. Immer ja zu sagen, und dabei über die eigenen Grenzen zu gehen, vermittelt dem Gegenüber ein falsches Bild von uns. Damit wäre dann Schluss!

Die Beziehung – auch die zu uns selbst – kann sich auf der Basis der neuen Realität, jene, die sich nach dem Ende der Täuschung zeigt, neu gestalten. Welch Chance!

Die Krux mit dem Nein sagen und wie du es meisterst, ohne unter Schuldgefühlen zu leiden – 3 konkrete Tipps:

Nein zu sagen, kann Schuldgefühle hervorrufen. Um diese Gefühle zu meistern, ist es wichtig zu verstehen, dass das Setzen von Grenzen – also auch das Nein sagen, ein Akt der Selbstfürsorge und des Respekts ist – sowohl für sich selbst, als auch für andere.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch meine Coachings und Seminare: Wenn es Frauen nicht gelungen ist das, umzusetzen, was sie sich vorgenommen haben – beispielsweise Nein zu sagen – dann sind sie super streng mit sich.

Tappe nicht in diese Falle! Bleibe freundlich und tolerant mit dir. Du kennst jetzt viele verschiedene Hintergründe, warum es sein kann, dass dir das Nein sagen schwerfällt. Es ist ok. Je mehr du dich geißelst, desto mehr blockierst du dich. Wirf den Blick auf die Situationen, in denen es dir gelungen ist!

Wenn du spürst, dass schlechtes Gewissen im Anmarsch ist, schau hin und erkunde es! Drücke es nicht weg. Sobald du es wahrnimmst, gehe mit ihm in einen Dialog. Du kannst es dir so vorstellen: Es ist ein Gefühl, dass dir hilft dich selbst besser kennenzulernen.

Nimm dir die Zeit, aufzuschreiben, was dich da umtreibt. Ja, mit Zettel und Stift. Schreib unzensiert drauflos. Dann atme tief durch und fühle, was sich verändert hat. Du wirst bestimmt eine neue Perspektive einnehmen können.

Häufig ist es so, dass wir Verantwortung übernehmen, wofür wir in Wirklichkeit keine Verantwortung haben! Hinterfrage die Situation, in der du dir mit dem Nein schwertust:

Trägst du dafür wirklich, wirklich die Verantwortung? Oder gehört die in Wirklichkeit jemandem anderen? Eventuelle ist dafür in Wirklichkeit die Chefität, der Mann, die Freundin, das Kind … verantwortlich.

Gehört die Verantwortung nicht dir, ist das der perfekte Grund, das schlechte Gewissen gehen zu lassen!

Zum Abschluss dieses Artikels will ich dir noch zurufen:

“Hab Mut für das klare JA zu dir!”

Herzlichst,

Martina